Der Oberbahnhofsvorsteher Lübbe aus Bordesholm (als Vertreter der Deutschen Reichsbahn) bat im Juli 1942 den Landrat des Kreises Rendsburg um Unterstützung: Er benötigte "für den umfangreichen Warenumschlag auf hiesigem Bahnhof" dringend eine Kolonne zum reibungslosen Be- und Entladen der Güterwaggons. Arbeitskräfte waren aufgrund der kriegsbedingten Umstände knapp und deshalb dachte er an den Einsatz von dienstverpflichteten Zivilisten.
Der Landrat wiederum wandte sich an den Bordesholmer Bürgermeister und forderte diesen auf, doch "die von der Reichsbahn beschäftigten ausländischen Arbeitskräfte" für diese Zwecke zu nutzen. Ansonsten sollten diejenigen Arbeitgeber, die den Warentransport vom und zum Bahnhof wünschten, die bei ihnen beschäftigten Ausländer einsetzen.
Bürgermeister Ahrens fand den Vorschlag des Landrats gut und erklärte: "Von der Bahnmeisterei Bordesholm wird am hiesigen Bahnhof ein Kriegsgefangenenlager gehalten, in welchem sich russische Kriegsgefangene befinden."[1] Zunächst einmal konfrontierte er aber die größeren Firmen des Ortes, die den Bahnhof dringend als Güterumschlagplatz benötigten, mit dem zweiten Teil des Vorschlages vom Landrat.
Das Sägewerk Gevecke, die am Bordesholmer See tätige Kieler Tischfabrik Spethmann (KiTiFa) und die mit dem Bau der Finnenhaussiedlung beschäftigte Rendsburger Baufirma Claus Rohwer konnten sich mit der Anregung des Landrats jedoch überhaupt nicht anfreunden: Es "sind die Kräfte der hiesigen Firmen bereits derart in Anspruch genommen, dass eine Herausziehung einzelner Kräfte aus den Betrieben zu Störungen führen müsste." Deshalb blieb dem Bürgermeister nichts anderes übrig: Er schlug vor, "eine Belade- und Entladekolonne für den Bahnhof Bordesholm aus den russischen Kriegsgefangenen zu bilden, die der Reichsbahn im hiesigen Gefangenenlager zur Verfügung stehen."
Gegen eine solche Lösung des Problems sprach sich aber ganz entschieden Oberbahnhofsvorsteher Lübbe aus: "Die russischen Kriegsgefangenen aus dem Eisenbahnlager Bordesholm (kommen) für die Ladekolonne nicht infrage. Die Gefangenen sind für andere vordringliche Zwecke vorgesehen und können für den beabsichtigten Einsatz nicht frei gemacht werden."
Somit war die Frage nach drei Monaten immer noch nicht geklärt. Ob und wie sie geklärt worden ist, wissen wir noch nicht, da die Akte im Landesarchiv in Schleswig [2] keine weiteren Angaben enthält. Dieser Vorgang verdeutlicht aber, mit welcher Selbstverständlichkeit und mit welcher Rücksichtslosigkeit sich zur damaligen Zeit die Reichsbahn, die gewerblichen und industriellen Betriebe sowie die Kommunalverwaltungen in Deutschland der Arbeitskraft von unfreiwillig im Lande befindlichen Ausländern bemächtigten. Ein Unrechtsbewusstsein ist hier auch nicht einmal ansatzweise zu vermerken.
[1] Das Lager befand sich hinter dem ehemaligen Sky-Markt im Ortszentrum, südöstlich der Eisenbahnlinie. Es soll sich um zwei Steinhäuser und zwei Baracken aus Holz gehandelt haben, die auch als "Gemeinschaftslager der Deutschen Reichsbahn, Bahnmeisterei Bordesholm" bezeichnet wurden. Außer 200 Kriegsgefangenen (100 Franzosen und 100 Sowjetbürgern) sollen hier auch 250 zivile Zwangsarbeiter (245 Sowjetbürger und 5 Polen) untergebracht worden sein.[2] LAS Abt.320 RD ungeordnet, Bd.101, Nr.58; Den Hinweis auf diese Akte habe ich freundlicher Weise von Rolf Schwarz (Rendsburg) erhalten.