34 Zwangsarbeiter aus Polen in Wattenbek
bei der Kieler Baufirma Habermann & Guckes

Alle im Jahre 1940 eingetroffenen Zwangsarbeiter der Firma Habermann & Guckes stammten aus dem „Reichsgau Wartheland” und damit aus den „Eingegliederten Ostgebieten”. Sie sind nicht erst ins „Generalgouvernement” verschleppt worden, sondern direkt aus ihren Heimatorten ins „Altreich”. Bei der ersten Gruppe der Eingetroffenen handelte es sich um Männer aus Lódz bzw. „Litzmannstadt”, wie die Deutschen den Ort nannten. Die zweite Gruppe kam ein paar Tage später aus Poznan (Posen) nach Bordesholm. Und die dritte Gruppe wurde von 15 Männern aus Wloclawek (Leslau) gebildet, die offensichtlich bereits einen Aufenthalt im Kreis Segebeg hinter sich hatte: Im Einwohnermelderegister von Wattenbek ist bei allen aus Leslau stammenden Personen als „Letzter Aufenthaltsort” Traventhal angegeben.

Die Karteikarten der Rendsburger Kreisverwaltung[1] geben dazu weiteren Aufschluss, denn dort ist vermerkt, dass die Männer für einen Arbeitseinsatz bei der „Wassergenossenschaft mittlere Trave” in Traventhal im Kreis Segeberg „vorgesehen gewesen” seien. Es lässt sich also vermuten, dass alle 34 polnischen Zwangsarbeiter von Habermann & Guckes zu denjenigen (126.000) Personen gehört haben, die seit dem September 1939 bis zum Juli 1940 aus den annektierten polnischen Gebieten direkt nach Deutschland deportiert worden sind.[2]

[Vordere Reihe von links: Stanislaw Piasecki, Ryszard Samulczyk, Janusz Smoczynski, Stanislaw Jesionek]

Im Jahre 1994 ist es dem Verfasser gelungen, über die DEUTSCH-POLNISCHE GESELLSCHAFT für AUSSÖHNUNG in Warschau Kontakt zu Ryszard Samulczyk, Stanislaw Jesionek und Janusz Smoczynski aufzunehmen. Diese drei Herren sind dann im Oktober 1995 aufgrund einer Einladung der Gemeinde Wattenbek noch einmal an ihre alte „Wirkungsstätte” zurückgekehrt.[3] Von ihnen wissen wir Näheres darüber, wie sie 1940 nach Deutschland gekommen sind.

Von Samulczyk und Jesionek (beide aus Lódz) haben wir (unabhängig voneinander) den Hinweis erhalten, dass eine Kaserne in Itzehoe im Frühjahr 1940 als Durchgangslager für Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein diente. Das Durchgangslager des Arbeitsamtes in Neumünster hat seine Arbeit erst zwei Jahre später aufgenommen.[4] Die Kaserne in Itzehoe soll zusätzlich mit polnischen Kriegsgefangenen belegt gewesen sein. Somit kann es sich nur um die von 1934-1937 neu errichtete Gallwitz-Kaserne handeln. Sie befand sich auf dem heutigen Gelände „Am Klosterforst”, d.h. nördlich der Straße „Langer Peter”. Dort war zur damaligen Zeit ein Kriegsgefangenen-Arbeitskommando mit 100 Polen stationiert.[5] Ob die sechs Jugendlichen aus Poznan auch in Itzehoe Zwischenstation machen mussten, konnte nicht geklärt werden.

Über die Gruppe der 15 Männer aus Wloclawek wissen wir leider nur sehr wenig, da es nicht gelungen ist, zu einem von ihnen Kontakt aufzunehmen. Aus den Meldeunterlagen der Gemeinde Wattenbek konnten wir aber errechnen, dass sie mit 36,5 Jahren im Durchschnitt wesentlich älter waren als die Männer aus Poznan und Lódz. Mindestens sieben von ihnen waren verheiratet und hatten Kinder: Josef Hoppe 1 Kind, Anton Gajewski 1 Kind, Kasimir Dyszelski 1 Kind, Jan Chojnowski 1 Kind, Joseph Borowski 2 Kinder, Joseph Cieniecki 2 Kinder und Joseph Koltunski 4 Kinder. Es handelte sich somit zum größten Teil um Familienväter, die höchstwahrscheinlich in ihrer Heimat nicht alle arbeitslos gewesen sind. Der Bürgermeister von Wattenbek hat alle 15 als Tiefbauarbeiter eingestuft. Die Kreisverwaltung Rendsburg nahm es etwas genauer und wählte als Berufsbezeichnung Wasserstraßenarbeiter. Da Wloclawek unmittelbar an der Weichsel liegt, ist es durchaus möglich, dass alle 15 tatsächlich im Wasserstraßenbau tätig gewesen sind. Vielleicht hat es sich sogar um Facharbeiter gehandelt, die vom Arbeitsamt in Leslau bewusst ausgesucht worden sind, um als Spezialisten auf diesem Gebiet im „Altreich” eingesetzt zu werden. Der Hinweis auf den Karteikarten, dass die Männer für die „Wassergenossenschaft mittlere Trave” vorgesehen waren, lässt Derartiges vermuten.


[1] Ein Teil der „Kartei der ausländischen Zivilarbeiter im 2. Weltkrieg” des Kreises Rendsburg ist 1977 von Rolf Schwarz auf dem Boden des alten Kreishauses in Rendsburg gefunden worden. Die Karteikarten können heute in fotokopierter Form im Landesarchiv in Schleswig eingesehen werden (LAS Abt. 320 RD ungeordnet, Bd. 286, Nr. 10 - 24). Die Originale befinden sich beim Internationalen Suchdienst (International Tracing Service) ITS in Arolsen bei Kassel.

[2] „Nacht über Europa”. Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939 - 1945), Köln 1989, S.360. Die Zahlenangabe 126.000 ist quellenmäßig nicht weiter belegt. Im selben Zeitraum sollen 319.000 Polen aus dem „Generalgouvernement” ins „Altreich” verbracht worden sein. Nach Ulrich Herbert: Fremdarbeiter, Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches, 2. Auflage 1986, S.91 sind es 279.333 Personen aus dem „Generalgouvernement” gewesen.

[3] Vgl. dazu Uwe Fentsahm: Auf den Spuren der polnischen Zwangsarbeiter in Wattenbek - oder: Die etwas andere Urlaubsreise, in: Mitteilungen des Geschichtsvereins für das ehemalige Amt Bordesholm, Heft 4 (1995), S. 9ff.. (auch online verfügbar).

[4] Konkrete Pläne für die Errichtung eines Durchgangslagers in Neumünster waren bereits im Januar 1942 vorhanden. Die Inbetriebnahme muss im Frühsommer desselben Jahres erfolgt sein. Das ergibt sich aus einem Schreiben des Arbeitsamtes Neumünster vom 24. Juli 1942, in: LAS Abt. 581.7 Nr. 517. Siehe auch: Stadtarchiv Neumünster Nr. 3078.

[5] Gerhard Hoch / Rolf Schwarz (Hrsg.): Verschleppt zur Sklavenarbeit, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein, Alveslohe und Nützen 1985, S.188.

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