Der Transport von Kriegsgefangenen mit der Straßenbahn

 

"Richtlinien für die Beförderung von Kriegsgefangenen, polnischen Zivilarbeitern, Ostarbeitern und anderen ausländischen Arbeitern mit Landverkehrsmitteln für den öffentlichen Personenverkehr (mit Ausnahme der Eisenbahnen sowie Kraftomnibusse und Landkraftposten der Deutschen Reichspost)"[1]

 

I. Beförderung von Kriegsgefangenen

"Die Beförderung von Kriegsgefangenen in geschlossenen Gruppen und unter Bewachung auf Straßenbahnen kann im Interesse des Arbeitseinsatzes nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, da Ersatzbeförderungsmittel, in der Hauptsache Lastkraftwagen, nicht ausreichen bzw. wegen Kraftstoffmangels nicht ausreichend eingesetzt werden können. Die Beförderung mit Straßenbahnen kann aber nur in Frage kommen, wenn eine Beförderung mit anderen Verkehrsmitteln nicht möglich ist, und ohne Benutzung der Straßenbahnen solche An- und Abmarschwege zurückgelegt werden müssten, dass die Arbeitsleistung der Kriegsgefangenen hierdurch wesentlich beeinträchtigt werden würde."

"Die Beförderung ist tunlichst vor oder nach den Spitzenverkehrszeiten der deutschen Arbeiter, gegebenenfalls unter entsprechender Staffelung der Arbeitszeit, durchzuführen. Soweit als möglich hat die Beförderung in Sonderfahrzeugen (auch Güterwagen, Stehwagen usw.) oder in Sonderabteilen zu erfolgen. Lässt sich eine solche gesonderte Beförderung nicht ermöglichen, so ist dafür sorge zu tragen, dass jeder Umgang der Kriegsgefangenen mit den übrigen beförderten Personen verhindert wird."

"Ferner ist bei der Unterbringung der Kriegsgefangenen in den Straßenbahnwagen darauf Bedacht zu nehmen, dass die Verkehrsabwicklung durch die Mitnahme der Kriegsgefangenen möglichst wenig beeinträchtigt wird."

"Im Hinblick auf die Entseuchungsmaßnahmen in den Gefangenenlagern wird ein jedesmalige Entseuchung der für die Kriegsgefangenenbeförderung eingesetzten Fahrzeuge oder verwendeten Abteile vor ihrer Wiederbenutzung durch deutsche Volksgenossen nicht als berechtigt angesehen werden können."

"Ferner wird z.B. bei der Beförderung von Kriegsgefangenen mit verschmutzter Arbeitskleidung durch geeignete Maßnahmen - z.B. Verbot der Sitzplatzbenutzung - Vorsorge zu treffen sein, dass hieraus nachfolgenden Reisenden kein Schaden erwächst."

"Einzelne Kriegsgefangene dürfen grundsätzlich auf Straßenbahnen nur befördert werden, wenn sie sich unter Bewachung befinden und die Beförderung im Interesse des Arbeitseinsatzes ... oder aus sonstigen zwingenden Gründen notwendig ist. Bei der Unterbringung ist gleichfalls darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Umgang mit anderen Reisenden verhindert wird."

"In besonderen Ausnahmefällen ist die Beförderung einzelner Kriegsgefangener ohne Bewachung, aber nur bei Vorlegung eines besonderen Ausweises des Oberkommandos der Wehrmacht über die Berechtigung zur Benutzung von Straßenbahnen zulässig."

"Als Beförderungspreis ist für Kriegsgefangene der normale Fahrpreis zu entrichten."

"Die Beförderung von Kriegsgefangenen mit den dem öffentlichen Verkehr dienenden Obussen und Kraftomnibussen muss mit Rücksicht auf die besonders beschränkten Raumverhältnisse im Allgemeinen ausscheiden. Allenfalls kann sie nur in besonders begründeten Ausnahmefällen mit Zustimmung des Nbv. (nach vorheriger Anhörung der zuständigen Stellen) in Frage kommen."[2]

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[1] Zuerst veröffentlicht durch den Reichsverkehrsminister im Reichsverkehrsblatt, Ausgabe B, Nr.28 vom 12. Dezember 1942, S.86. Ein vollständiger Abdruck der Bestimmungen findet sich auch im Reichsarbeitsblatt Teil I (1943), S.126 ff.

[2] Nbv (Bevollmächtigter für den Nahverkehr).

© Uwe Fentsahm (Brügge, Juli 2021)