Wer ist mit dem Begriff "Ostarbeiter" bezeichnet worden?

 

Die Verordnung vom 20. Januar 1942 (Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, S.41)

§1 "Arbeitskräfte aus den neu besetzten Ostgebieten, die durch die Arbeitseinsatzverwaltung innerhalb des Deutschen Reiches eingesetzt sind, werden hinsichtlich ihres Arbeitslohns ausschließlich nach den Vorschriften dieser Verordnung besteuert."

"Diese Vorschriften sind nicht anzuwenden auf Personen aus dem in das Generalgouvernement eingegliederten Distrikt Galizien oder aus dem Gebiet des Reichskommissariats Ostland mit Ausnahme von Weißruthenien."

Fazit: Zivile Arbeitskräfte aus Weißruthenien (Weißrussland mit der Hauptstadt Minsk) wurden auch als "Ostarbeiter" betrachtet.

 


Der Erlass Heinrich Himmlers über die Anwerbung und den Einsatz von Arbeitskräften aus dem Osten vom 20. Februar 1942 (in: Allgemeine Erlass-Sammlung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD unter der Rubrik 2 A III f, S.24-35)

"Als Arbeitskräfte aus dem altsowjetischen Gebiet gelten diejenigen Arbeitskräfte, die aus dem ehemals sowjetrussischen Gebiet - mit Ausnahme der ehemaligen Staaten Litauen, Lettland, Estland, des Bezirks Bialystok und des Distrikts Lemberg - zum zivilen Arbeitseinsatz ins Reich hereingebracht sind oder werden." D.h. aus der Sicht von Himmler (und anderen führenden Nationalsozialisten) existierte die Sowjetunion im Februar 1942 nicht mehr.

"Für die gesamte Behandlung dieser Arbeitskräfte ist ausschlaggebend, dass sie jahrzehntelang unter bolschewistischer Herrschaft gelebt haben und systematisch zu Feinden des nationalsozialistischen Deutschland und der europäischen Kultur erzogen worden sind." Diese Denkweise ist mitverantwortlich dafür gewesen, dass Himmler starke Vorbehalte gegen den Arbeitseinsatz dieser neuen Ausländer im Reich gehabt hat. Er meinte, die deutsche Bevölkerung jetzt durch besonders strenge Maßnahmen schützen zu müssen.

 


Die Verordnung vom 30. Juni 1942 (Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, S.419)

§1 "Ostarbeiter sind diejenigen Arbeitskräfte nichtdeutscher Volkszugehörigkeit, die im Reichskommissariat Ukraine, im Generalkommissariat Weißruthenien oder in Gebieten, die östlich an diese Gebiete und an die früheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzen, erfasst und nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht in das Deutsche Reich einschließlich des Protektorats Böhmen und Mähren gebracht und hier eingesetzt werden."

Fazit: Zivile Arbeitskräfte aus der Ukraine (mit der Hauptstadt Kiew) wurden auch als "Ostarbeiter" betrachtet.

 


Die Polizeiverordnung vom 10. Juli 1943 (Amtsblatt der Regierung in Schleswig vom 17. Juli 1943, S.89 f.)

§1 "Alle diejenigen zivilen Arbeitskräfte (Arbeiter und Arbeiterinnen) gelten als "Ostarbeiter", die am 22.6.1941 in dem ehemals sowjetischen Gebiet - mit Ausnahme der ehemaligen Staatsgebiete Litauens, Lettlands, Estlands, sowie der Bezirke Bialystok und Lemberg - ansässig waren und seit dem genannten Zeitpunkt ins Reich zum Arbeitseinsatz gebracht worden sind oder werden. Zu dem "ehemals sowjetischen Gebiet" im Sinne dieser Bestimmung gehören auch die nach Beendigung des Polenfeldzuges 1939 an die UdSSR abgetretenen Teile des ehemaligen Polens (aber mit Ausnahme der Bezirke Bialystok und Lemberg)."

Fazit: Zivile Arbeitskräfte aus dem Baltikum (Litauen, Lettland, Estland) wurden von den NS-Behörden nicht als "Ostarbeiter" eingeordnet.

 

Home


© Uwe Fentsahm (Brügge, April 2021)