Die beiden Ausländer-Karteikarten

 

"Das Doppel dieser Karteikarte ist an das Reichssicherheitshauptamt zu senden."

 

Nach dem Überfall deutscher Truppen auf Polen wurden bereits am 3. September 1939 in Dirschau und auch im oberschlesischen Rybnik Arbeitsämter eröffnet. In Lódz dauerte es noch bis zum 12. September, bis das Arbeitsamt auch hier seine Tätigkeit aufnahm. Schon bald sollte es die wichtigste Aufgabe der Arbeitsämter werden, Transporte mit arbeitsfähigen Polen für den Einsatz im „Altreich” zusammenzustellen. Für die aus Polen eintreffenden (zivilen) Zwangsarbeiter war am 8. März 1940 ein umfangreiches Erlasspaket herausgekommen, das die Rechtsstellung dieser Personen noch drastischer einschränkte, als es bei den Tschechen der Fall war.[1]

Die genaue „Erfassung” der eintreffenden Polen war für die Behörden sehr wichtig und wurde detailliert geregelt. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, Heinrich Himmler, ordnete deshalb zeitgleich an: „Es ist sicherzustellen, dass die Arbeitskräfte polnischen Volkstums fotografiert werden. Es sind 3 Lichtbilder zu fertigen. 2 Lichtbilder sind für die Karteikarten, das 3. Lichtbild ... für die Arbeitskarte zu verwenden.”[2]

"Für die Arbeitskräfte polnischen Volkstums sind anstatt der bisher üblichen Ausländerkarteikarten (Vordruck R-Pol. 158) Karteikarten nach beigefügtem Muster anzulegen. Die Karteikarten sind mit Lichtbildern zu versehen. Das Doppel dieser Karteikarte ist an das Reichssicherheitshauptamt zu senden. Die Karteikarten sind beim Reichssicherheitshauptamt anzufordern."[3]

 

[Beispiel einer Karteikarte aus der "Kartei der ausländischen Zivilarbeiter im Kreis Rendsburg"; Arolsen Archives] [4]

 

         

[links: Die Rückseite der obigen Karteikarte; rechts: Die Adresse des RSHA in Berlin,Wilhelmstraße 102]


 

Die Vernichtung der zentralen Ausländer-Kartei in Berlin

Am 5. Februar 1944 sah sich Heinrich Himmler gezwungen, alle nachgeordneten Dienststellen (inklusive der Kreispolizeibehörden) über den "Fortfall der doppelten Karteikarten" zu informieren: "Die beim Reichssicherheitshauptamt geführten zentralen Karteien der polnischen Zivilarbeiter und der Ostarbeiter sind durch Feindeinwirkung vernichtet worden. Ihre Wiederherstellung während des Krieges wird nicht beabsichtigt. Von der Vorlage der Karteidoppelkarten beim Reichssicherheitshauptamt ist daher mit sofortiger Wirkung abzusehen."[5]

 

[Beispiel einer Ausländer-Karteikarte der Stadt Neumünster; Stadtarchiv Neumünster, Akte 4683]


[1] Die von Göring und Himmler mit Datum vom 08.03.1940 herausgegebenen Erlasse und die dazugehörigen Erläuterungen sind in umfassender Weise dokumentiert in: Documenta Occupationis X, hrsg. von Alfred Konieczny und Herbert Szurgacz, Poznan 1976, S.7 – 26.

[2] Der Erlass Himmlers (IV D 2-382/40) vom 8. März 1940, in: Ebd., S.13.

[3] Ebd., S.12.

[4] Ein Teil der „Kartei der ausländischen Zivilarbeiter im 2. Weltkrieg” des Kreises Rendsburg ist 1977 von Rolf Schwarz auf dem Boden des alten Kreishauses in Rendsburg gefunden worden. Es fehlen allerdings die Buchstaben L, P, Q, R, U, V, W, X, Y, Z. Die Karteikarten können heute in fotokopierter Form im Landesarchiv in Schleswig eingesehen werden (LAS Abt. 320 RD ungeordnet, Bd. 286, Nr. 10 - 24). Die Originale befinden sich beim Internationalen Suchdienst (International Tracing Service) ITS in Arolsen bei Kassel [Arolsen Archives].

[5] Der Erlass Himmlers (S-IV D 2 c-2071/43) vom 5. Februar 1944, in: Documenta Occupationis X (wie Anm.1), S.71.

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© Uwe Fentsahm (Brügge, Dezember 2021)