Das "Gemeinschaftslager Ost" in Büdelsdorf

Neben den kleineren Lagern im Vorwerk, in der Löwenstraße und in der Neuen Dorfstraße (die in der NS-Zeit in Menzelstraße umbenannt wurde) entstand 1943 das zahlreiche Holzbaracken umfassende Gemeinschaftslager an der Kampstraße. Bis dahin waren 1942 und 1943 viele Ostarbeiter zusätzlich und unter sehr schlechten Bedingungen in Magazinräumen der Carlshütte untergebracht worden.

Im Gemeinschaftslager lebten ca. 2250 Arbeitskräfte aus verschiedenen Nationen, die vor allem für die Ahlmann-Carlshütte arbeiten mussten, aber auch für andere Betriebe innerhalb und außerhalb Büdelsdorfs. Die Darstellungen über die Lebensbedingungen im Lager schwanken sehr stark. So wurde z.B. 1952 in dem Jubiläumsband "125 Jahre Carlshütte" behauptet, dass das "Wohnbarackendorf .... vorbildlich" gewesen sei und "vieles getan (wurde), um den Ausländern ihr Los zu erleichtern, wohl auch manches, das offiziell nicht gern gesehen wurde. So fühlten besonders die Frauen seit den ersten Stunden ihres Hierseins ein unerwartetes Wohlwollen. Sie dankten dafür durch den freier klingenden Gesang ihrer heimatlichen Lieder und leisteten gute Arbeit im Werk." Im Gegensatz dazu charakterisiert der Niederländer A. S. in seinen Erinnerungen das Lager weniger positiv: "Es konnte im Stall von Bethlehem nicht viel schlechter als im Lager Büdelsdorf gewesen sein."(1) Bei dieser Äußerung muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass Arbeitskräfte aus Westeuropa sowohl von der Erlasslage her gesehen als auch in der Praxis besser behandelt wurden als Ostarbeiter oder Polen.

In einem Ermittlungsbericht der Polizei vom 7.7.1944 heißt es: "In der letzten Zeit häufen sich wieder die Klagen, dass Ausländer in der rohesten Weise behandelt werden. Die Ausländer sind schon so geschlagen worden, dass sie auf den Boden gefallen sind und dann mit den Füßen weiter bearbeitet wurden. In einem anderen Fall hat ein Mann mit einer Pistole sich hingestellt und zwei andere mussten den Polen verprügeln."(2) Dieser Vorfall spiegelt zwar nicht die alltägliche Situation wider, aber es gab mehrfach Besprechungen unter Beteiligung der Firmenleitung der Ahlmann-Carlshütte, in denen es um Übergriffe gegenüber Ausländern ging. An diese Besprechungen wollte sich die Firmenleitung im Rahmen der späteren Entnazifizierung nicht erinnern, sie leugnete jede Kenntnis über die schlechte Behandlung: "Warum haben diejenigen, die heute die ausländischen Arbeiter beklagen, denn so wenig Rückgrat gezeigt und mir nicht Fingerzeige gegeben? Wenige Klagen hätten bewirkt, diesem und jenem nachzugehen! Sie sind nicht gekommen."(3)

In Büdelsdorf verstarben zahlreiche Zwangsarbeiter aufgrund der schlechten Lebensbedingungen. Zusätzliche Opfer dürfte es unter denjenigen gegeben haben, die in Arbeitserziehungslager und Konzentrationslager verbracht worden sind. Da die Ahlmann-Carlshütte heute nicht mehr existiert, trat die Stadt Büdelsdorf 1999 als erste Kommune dem Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen bei. Sie folgt damit denjenigen Büdelsdorfer Einwohnern und Arbeitern der Carlshütte, die trotz wiederholter Ermahnungen speziell den russischen Arbeitskräften versteckt Lebensmittel zukommen ließen, um deren Not zu lindern.



(1) Archiv der Verenigung Dwangarbeiders Nederland Tweede Wereldoorlog.
(2) Alle Angaben soweit nicht anders vermerkt aus dem Aufsatz von Rolf Schwarz: Verschleppt nach Büdelsdorf, in: Vergessen und verdrängt. Eine andere Heimatgeschichte, hrsg. von Kurt Hamer, Karl-Werner Schunck und Rolf Schwarz, Eckernförde 1984, S.227ff..
(3) Landesarchiv Schleswig (LAS) Abt. 406.10 Nr.1046.