Das "Gemeinschaftslager Rumohr" (3. Teil)

von Uwe Fentsahm

 

Die Versorgung der Stadt Kiel mit Arbeitskräften 1941-1945

Der bereits erwähnte Rumohrer Polizeimeister Rehlich, der um 1950 den sogenannten Form-96-Bogen für das Lager Rumohr ausfüllen musste, beschrieb auch den Ort des Arbeitseinsatzes: "Die eigentliche Arbeitsstelle befand sich in Kiel und wurde auch von dort geregelt. Die Leute wurden des Morgens nach der Bahn Flintbek geführt und von dort mit der Eisenbahn nach Kiel befördert. Die Leute wurden mit den einzelnen Kommandos unter Führung von Zivilpersonen bis zur Bahn gebracht und in Kiel wurden sie einzeln von den einzelnen Firmen in Empfang genommen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den einzelnen war verschieden und wurde in Kiel von der Hauptlagerverwaltung geregelt."[18] Diese Beschreibung entsprach durchaus der Wahrheit, wie der nachfolgende Bericht eines Kieler Unternehmers zeigt.

 

Der Bericht des Kieler Unternehmers Josef Niehenker („Demolition Contractor“)

In der Nachkriegszeit wurden viele Betriebe von den Suchoffizieren der alliierten Besatzungsmächte angeschrieben und danach befragt, inwieweit sie während der Zeit des zweiten Weltkrieges Ausländer beschäftigt hätten. So war es auch bei dem Abbruchunternehmer Josef Niehenker aus Kiel (Königsweg 25), der 1946 sehr schnell die Zeichen der Zeit erkannt und den Briefkopf seiner Firma umgestaltet hatte: er nannte sich jetzt „Demolition Contractor“ und hoffte wohl dadurch auf vermehrte Aufträge durch die Besatzungsmacht: „Kriegsgefangene wurden von mir beschäftigt, Russen aus dem Lager Raisdorf (bei Kiel) und Ukrainer aus dem Lager Rumohr (bei Kiel). Die Arbeiter wurden morgens von meinen Polieren vom Bahnhof geholt und zur Arbeit gebracht und abends wieder zurück. Ich habe von den Gefangenen keine Papiere in meinem Besitz gehabt, da sie mir vom Lager nach Nummern aufgegeben wurden; und ich mit der Stadt Kiel auch eine Verrechnung in gleicher Weise vornahm.“[19]

 

Der Bericht des Kieler Unternehmers Josef Niehenker

 

Der Kieler Unternehmer hat höchstwahrscheinlich keine Kriegsgefangenen beschäftigt, denn deren Einsatz hätte er mit dem Kriegsgefangenen-Stammlager in Schleswig abrechnen müssen und nicht mit der Stadt Kiel. Diese war Betreiberin des „Gemeinschaftslagers Rumohr“ (ein CWC) und vermietete die Insassen des Lagers (Männer und Frauen) als Arbeitskräfte an interessierte Kieler Firmen. Für Herrn Niehenker ist offensichtlich nicht vorstellbar gewesen, dass auch Zivilpersonen aus Osteuropa ins Deutsche Reich gekommen sind. Für ihn waren das alles Kriegsgefangene. Lediglich bei den Menschen aus Westeuropa konnte er sich vorstellen, dass es sich um „Zivilarbeiter“ handeln könnte: „… teile ich Ihnen mit, dass bei mir nur wenige Dänen, Holländer, Franzosen und Belgier als Zivilarbeiter beschäftigt waren. Unterlagen und Auskünfte über die derzeit beschäftigten Ausländer kann ich Ihnen leider nicht mehr geben, da mir sämtliche Akten bei einem der letzten Angriffe verbrannt sind. Die Dänen sind fast alle schon im Jahre 1944 wieder in die Heimat gegangen, bis auf einen, der ziemlich bis zuletzt blieb.“[20]

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[18] Zu den Form-96-Bögen siehe oben Anmerkung 8 und 9.

[19] Arolsen Archives: Stadt Kiel Ordner 664, Seite 47.

[20] Ebd.