Zwangsarbeiter aus Polen in Wattenbek -
Stanislaw Jesionek kommt 1944 ins DWK-Lager

Das erste Wohnlager für Zwangsarbeiter war in Wattenbek bereits im Frühjahr 1940 errichtet worden, und zwar auf der östlichen Seite der Bahnlinie nach Kiel und südlich der Fußgängerbrücke am sogenannten "Vierwohnungshaus" (auf dem heutigen Lagergelände der Firma Riepen). Bauherr des Lagers war die Firma Habermann & Guckes aus Kiel, die in Brüggerholz seit etlichen Jahren ein großes Kieswerk betrieb. In der neu errichteten Wohnbaracke wurden 34 Zwangsarbeiter aus Polen untergebracht, die hier als geschlossene Gruppe bis zum Ende des Kiesabbaus in Brüggerholz 1943/44 verblieben. Die dortigen Kiesvorkommen waren erschöpft und das gesamte Gelände wurde in vorbildlicher Weise renaturiert, obwohl der Krieg sich seinem Ende zuneigte.

Die Zwangsarbeiter aus Polen werden zum Teil bei den Abbrucharbeiten eingesetzt worden sein. Viele von ihnen erhielten aber jetzt ihren Arbeitsplatz in Kiel. Die Firma Habermann und Guckes war dort offensichtlich beim Bau des U-Boot-Bunkers „Konrad” engagiert. Stanislaw Jesionek gehörte zu denjenigen, die ab 1944 jeden Morgen zum Bordesholmer Bahnhof marschierten und dann mit dem Zug nach Kiel fuhren. Sie mussten beim Bunkerbau helfen oder wurden zu anderen Arbeiten auf dem Gelände der Deutschen Werke Werft (DWK) eingesetzt. Dort herrschten ganz andere Verhältnisse als in den Kiesgruben von Brüggerholz: Der Rüstungsbetrieb DWK beschäftigte zur damaligen Zeit in seinem Werk in Kiel-Gaarden rund 2.000 ausländische und 12.000 deutsche Arbeiter. Das Werk der DWK in Friedrichsort verfügte über weitere 4.000 Beschäftigte, davon waren ca. 1.000 Zwangsarbeiter aus dem Ausland. Bei der Kriegsmarinewerft (KMW) war die Anzahl der Zwangsarbeiter noch höher, sie betrug rund 4.000 Personen. Das waren etwa 20 % aller Beschäftigten der KMW.

Abends kehrten die „Wattenbeker” mit dem Zug nach Bordesholm zurück und übernachteten wie gewohnt auf dem Gelände von Habermann & Guckes. Dieser Tagesablauf wurde (nach der Erinnerung von Jesionek) im Sommer 1944 abrupt unterbrochen und änderte sich einschneidend: Die nach Kiel fahrenden Polen durften nicht mehr in „ihrer” Wohnbaracke an der Bahnlinie übernachten. Sie wurden (ohne einen für sie ersichtlichen Grund) unter scharfe Bewachung gestellt und mussten die nächsten Monate im Zwangsarbeiterlager der DWK in Wattenbek verbringen. Von Jesionek gibt es zwei Fotos, die beweisen, dass er tatsächlich auch noch das Lager der DWK in Wattenbek kennenlernen musste. Er konnte sich auch daran erinnern, dass hier zeitgleich mehr als 100 Franzosen untergebracht waren. Auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen in Kiel wurden die Polen jetzt von Wachmännern begleitet. Es ist offensichtlich, dass diese einschneidenden Veränderungen im Umgang mit den Zwangsarbeitern aus Polen auf das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 zurückzuführen sind.

Für Stanislaw Jesionek bot sich im Dezember 1944 eine günstige Gelegenheit, um an den vorzeitigen Abschied aus Schleswig-Holstein zu denken. Sein Vater war schwer erkrankt und er hatte sich mehrmals vergeblich um eine Urlaubsgenehmigung bemüht: „Ich habe dann einen Brief aus Polen bekommen - von zu Hause - auf Deutsch - mit einem Attest, dass mein Vater sehr krank sei.” Mit diesem Dokument ist Jesionek wiederum zum Amtsvorsteher nach Bordesholm gegangen und konnte ihn diesmal dazu bewegen, den gewünschten Urlaub zu genehmigen. Ingenieur Grimm war damit als Betriebsleiter von Habermann & Guckes gar nicht einverstanden, er musste die Entscheidung des Amtsvorstehers aber akzeptieren. Von Grimm wurde Jesionek streng ermahnt: „Du kriegst Urlaub bis zum 2. Januar 1945. Wenn du bis zum 3. Januar nicht wieder hier bist, wirst du [an die] Gestapo überführt.” Diese Drohung hatte für Jesionek keine große Bedeutung mehr: „Aus dem Urlaub bin ich nicht mehr zurückgekommen, denn die russische Armee kam und ich bin in der 1. polnischen Armee gelandet.”


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