Die "Personenstandsaufnahme"
Eine Quelle zur Erforschung der Zwangsarbeit?
(von Rolf Schwarz)

Im Zusammenhang mit der jährlichen Aushändigung von Lohnsteuerkarten waren die Kommunen von Zeit zu Zeit verpflichtet sogenannte Personenstands- und Betriebsaufnahmen durchzuführen. In Listen wurde dazu die ständige Wohnbevölkerung nicht nur namentlich erfasst, es wurden auch andere Merkmale wie z.B. die Staatsangehörigkeit, das Glaubensbekenntnis und die Volkszugehörigkeit festgehalten. Die Gemeinden konnten sich von dieser Verpflichtung zur Bestandsaufnahme entbinden lassen, wenn ihre Einwohnerkartei bereits hinreichende Rückschlüsse über die Personen zuließ.

Zur Durchführung der Erhebung wurden Personen aus der Kommune gewonnen, die nach der Anzahl der ausgetragenen und eingesammelten Bögen entlohnt wurden. In den Anweisungen für die Austräger hieß es 1941: "Lager ausländischer Arbeitnehmer unbedingt mitnehmen. (Ostarbeiter nicht eintragen.)" In der sogenannten Urliste I mussten bei polnischen und jüdischen Familien jeweils unter dem Familiennamen "Pole" bzw. "Jude" eingetragen werden, da beide Gruppen zusätzlich mit einer Sozialausgleichsabgabe belastet wurden. Das Finanzamt instruierte die Austräger entsprechend: "Für Polen, die am Tage der Personenstandsaufnahme ihren Wohnsitz im Reichsgebiet hatten: Steuergruppe wie beim deutschen Arbeitgeber und Sozialausgleichsabgabe." Polen erhielten darüber hinaus keine Kinderermäßigung.

Für Rendsburg enthält die Zusammenstellung über die Personenstands- und Betriebsaufnahme vom 10.Oktober 1941 lediglich die Mitteilung über die ständige Wohnbevölkerung, zu der hier u.a. auch die Insassen der Strafvollzugsanstalt Rendsburg (damals "Sicherungsanstalt") gezählt wurden. Abschriften der Meldungen wurden anscheinend auf vorgefertigten Formularen erstellt und dann auch an den Landrat gesandt. Entsprechende Notizen lassen diesen Schluss zu, die Formulare sind im Stadtarchiv Rendsburg nicht mehr vorhanden.

Im Jahre 1942 wurde nach einem Erlass des Reichsministers des Inneren keine derartige Erhebung durchgeführt. Auf Grund eines Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 3.Juli 1943 (Reichssteuerblatt 1943, Seite 569) hatte aber für den Stichtag 10.Oktober 1943 wieder eine Personenstandsaufnahme zu erfolgen. Die daraufhin zu verteilenden Steuerkarten sollten für die Jahre 1944-1946 gelten.

Ein Vergleich der entsprechenden Zahlen von 1941 und 1943 bietet für Rendsburg einige Hinweise zur Entwicklung der Stadt während des Krieges: Es erhöhte sich sowohl die Anzahl der Haushalte als auch die Anzahl der Einwohner. Der Bürgermeister erklärte diese Zunahme in der Übersicht über die Personenstandsaufnahme folgendermaßen: "Hierbei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass Evakuierte aufgenommen sind, weiter sind in dieser Zahl 348 ausländische Arbeitskräfte enthalten (ohne Ostarbeiter, für die Lohnsteuerkarten nicht auszustellen waren)." Es folgte dann eine genauere Aufschlüsselung: Polen 116, Niederländer 88, Belgier 67, Franzosen 21, Ungarn 15, Kroaten 11, Protektoratsangehörige 9, Dänen 8, Letten 3, Rumänen 1, Luxemburger 1 und Staatenlose 8.

Auch über die "Personenstandsaufnahme" des Jahres 1943 erhielt der Landrat wohl eine Mitteilung auf einem Vordruck, der nicht erhalten geblieben ist. Inwieweit die genauere Erklärung für die Entwicklung der Bevölkerungszahl ein Rendsburg spezifisches Phänomen darstellt, ob sich hierzu in den Kreisakten oder in den Beständen der Finanzverwaltung noch weitere Informationen finden lassen, das muss zunächst einmal noch offen bleiben. Die Kommunen brauchten nach einem Erlass des Reichsministers des Inneren vom Januar 1944 die Listen jedenfalls nicht aufzubewahren. Sie waren "alsbald der Altpapierverwertung zuzuführen."[1]


[1] Alle Vorgänge in: Stadtarchiv Rendsburg E/657, Bd. 4