"Schankkonzessionen" als besondere Quellengruppe
zur Erforschung der Zwangsarbeit (1939-1945)

von Uwe Fentsahm

In Schleswig-Holstein sind anscheinend - vielleicht auch nur scheinbar - nur noch sehr wenige Quellen bekannt, aus denen direkt Erkenntnisse über den Aufenthalt und die Lebensumstände von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern gewonnen werden können. So behauptet z.B. die Presseabteilung des Kieler Werftunternehmens HDW (als Rechtsnachfolger der Deutschen Werke Werft) seit Jahren, dass die Firma für die Zeit vor 1945 so gut wie kein Archivgut besitze. Dieses sei teilweise bei Bombenangriffen zerstört, über die Engländer als Besatzungsmacht nach London verbracht worden oder vielleicht sogar in Moskau gelandet (1) . Deshalb fehlt es den Historikerinnen und Historikern im Allgemeinen an Akten, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Verwaltung von Zwangsarbeitern (beispielsweise durch deren Erfassung, Vermittlung an Arbeitgeber, Krankmeldung, Urlaubsgesuch, Strafangelegenheit etc.) angefallen sind. Und wenn derartige Bestände vorhanden sind, ergibt sich immer noch das Problem der Zugänglichkeit (etwa zu Unterlagen der Einwohnermelde- und der Standesämter).

Aufgrund dieser Situation wird dasjenige Schriftgut, das indirekt durch den Einsatz von ausländischen Arbeitskräften in der NS-Zeit entstanden und 1945 einer Vernichtung weitgehend entgangen ist, um so wichtiger: Dazu zählen u.a. die so genannten Schankkonzessionen, also die behördlichen Genehmigungen zum Ausschank von Getränken in den Kantinen der Zwangsarbeiterlager. Gemäß den Bestimmungen des Gaststättengesetzes von 1930 war auch jeder Betreiber eines "Wohnlagers für ausländische Arbeiter" verpflichtet, sich den geplanten Kantinenbetrieb vom jeweiligen Landratsamt (als zuständiger Kreispolizeibehörde) genehmigen zu lassen.

Die Deutsche Werke Werft in Kiel (DWK) wickelte diesen Vorgang aufgrund der großen Anzahl der firmeneigenen Lager mit viel Routine ab. Für das Lager in Wattenbek (Kreis Rendsburg) wurde so ein Antrag am 30. Januar 1942 gestellt (2). Der Landrat erhielt dazu von der DWK jeweils in fünffacher Ausfertigung u.a.

  • einen maßstabsgetreuen Lageplan des Lagergeländes mit allen Wohnbaracken, einschließlich Nebengebäuden, Splittergräben, Feuerlöschteich und Luftschutzbeobachtungsturm,
  • einen zentimetergenauen Grundriss und eine Seitenansicht der Wirtschaftsbaracke, in der die Kantine untergebracht werden sollte.
Mit diesen Unterlagen versorgte der Landrat dann
  • den Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde, in der das Lager errichtet worden war,
  • den zuständigen Amtsvorsteher als örtliche Polizeibehörde,
  • die entsprechende Kreisgruppe der Wirtschaftskammer Nordmark des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes,
  • die Deutsche Arbeitsfront (DAF) in Kiel (Abteilung Fremdenverkehr) und
  • das jeweilige Kreisjugendamt.

Alle diese Personen und Institutionen wurden um eine Stellungnahme zum geplanten Kantinenbetrieb ersucht. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde auch noch der Regierungspräsident in Schleswig informiert und um seine Zustimmung gebeten (3). Da im Fall des Wattenbeker Lagers keine schwerwiegenden Bedenken geäußert wurden, erteilte der Landrat der DWK am 4. März 1942 "die Erlaubnis zum Betriebe der Schankwirtschaft und zwar zum Ausschank von Flaschenbier und alkoholfreien Getränken". Der nachträgliche Hinweis der DWK, dass der Kantinenbetrieb mit "keinerlei gewinnbringendem Zweck" verbunden sei, veranlasste den Landrat auch noch von der bereits festgesetzten Schankerlaubnissteuer in Höhe von 250,- RM Abstand zu nehmen.

Außer den Kenntnissen über den Aufbau des Lagers ergeben sich aus dem Schriftverkehr auch noch mancherlei andere Informationen: Für Wattenbek wurde deutlich, dass zukünftig "ausser dem Lagerpersonal 300 ausländische Arbeiter untergebracht" werden sollten. Im Januar 1942 war das Lager aber erst "von 150 Spaniern belegt". Derartige Konzessionsanträge der DWK liegen auch für das Lager in Boksee und die beiden Lager in Raisdorf (Karkkamp und Rosensee) vor (4). Die Plöner Landratsakten enthalten darüber hinaus entsprechende Anträge für

  • das Gemeinschaftslager Elmschenhagen-Ost, das von der Baugesellschaft Kiel betrieben wurde, und für
  • das Lager Neudorf bei Hohwacht, das für die Feinmechanischen Werke Kiel-Neumühlen von der Norddeutschen Baugemeinschaft aus Lütjenburg - unter strenger Geheimhaltung - errichtet oder umgebaut wurde (5).

Obwohl es sich hier nur um stichprobenartige Funde handelt, ist doch anzunehmen, dass es im Landesarchiv in Schleswig in den Landratsakten der übrigen Kreise (Abt. 320) ebenfalls noch derartige Konzessionsakten gibt.



(1)Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von HDW telefonisch und in einem Brief vom 4. März 1994 an den Verfasser.
(2)LAS Abt.320 RD ungeordnet, Bündel 37, Nr.905.
(3)Es müßte noch geklärt werden, inwieweit diese Vorgänge im LAS in den Beständen des Regierungspräsidenten (Abt.309) überliefert sind.
(4)LAS Abt.320 Plön, Nr.3012, 3223 und 3224.
(5)LAS Abt.320 Plön, Nr.3078 und 3137.