5. Fazit und Nachtrag

Der Rezensent hätte sich eine konkretere Berücksichtigung der schleswig-holsteinischen Gegebenheiten, eine bessere Nutzung der vorhandenen Literatur, etwas mehr Quellenkritik und statt vieler, sich teilweise wiederholender Graphiken und Zitate mehr Detailkenntnisse und weniger generalisierende Aussagen erhofft. Die Verfasser scheitern an ihren hoch gesteckten Ansprüchen auf Vollständigkeit und Präzision [46] und sollten sich in Zukunft davon und von ähnlichen kurzfristigen Aktionen fernhalten. Vor einer möglichen Drucklegung des Gutachtens bedarf es einer gründlichen Überarbeitung und Überprüfung der getroffenen Aussagen. Nicht zuletzt die Landesregierung muss sich fragen lassen, ob es klug war, das landeseigene IZRG mit einem zeitlich so befristeten Gutachten zu belasten. Aus fachwissenschaftlicher Sicht ist dieses eindeutig zu verneinen.

Der derzeitigen Landesregierung ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sie selbst in erheblichem Maße zur Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeit in Schleswig-Holstein beitragen könnte. Sie müsste nur ihre Nachkriegsakten gründlich durchforsten und sie dann endlich dem Landesarchiv zur Verfügung zu stellen. Eine sehr interessante Quellengruppe wird bereits im "Cataloque of Camps and Prisons" genannt, der 1949 vom Internationalen Suchdienst in Arolsen herausgegeben wurde. Hier taucht des Öfteren als Quellenangabe "Ministry of Labour, Schleswig-Holstein" auf. Die damaligen Nachforschungen nach "Verschleppten", "Lagern" und "Gefängnissen" aus der NS-Zeit und die Weitergabe der Ergebnisse an die Alliierten wurde wesentlich durch das schleswig-holsteinische Innenministerium organisiert.

Trotz allem wird das Gutachten für viele Leser neue Informationen und Erkenntnisse bringen, beziehen sich die hier vorgebrachten Kritikpunkte doch im Wesentlichen auf die unrealistischen Ansprüche und auf einzelne fachspezifische Aspekte. Das Gutachten wird die Diskussion zu diesem Teil der Landesgeschichte bereichern und damit letztendlich den Kenntnisstand verbessern. Gerade für die weitere regionale Forschung wird sich eine erhebliche Verbesserung ergeben, da der vom IZRG gesammelte Aktenbestand manch unnötigen Weg ersparen und die erste Orientierung erleichtern wird. Die eingesparte Zeit wird einer tieferen und spezielleren Betrachtungsweise dienlich sein - hierin dürfte der besondere Wert des Gutachtens liegen. Aber eine hinreichend genaue Anzahl von Zwangsarbeitenden in Schleswig-Holstein ist immer noch nicht bekannt.

Die (ehemaligen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IZRG sollten es sich nicht nehmen lassen, ihre Sichtweise zu diesen kritischen Anmerkungen darzulegen. Eine Veröffentlichung ihrer Erwiderungen auf dieser Website wird garantiert. Gleichfalls sind alle Interessierten eingeladen, sich an dieser Diskussion zu beteiligen und damit die Forschung zur Zwangsarbeit voranzubringen.

Nachtrag

Mittlerweile wurde eine Zusammenfassung des Gutachtens von der Landeszentrale für politische Bildung (Labskaus Nr.11) publiziert. In dieser Zusammenfassung wurde trotz des geringeren Zeitdrucks eine neue Merkwürdigkeit produziert. Den Berechnungen U. Dankers - ca. 225.000 Zwangsarbeitende - scheinen nicht einmal die Mitautoren zu trauen. Sebastian Lehmann schreibt hier über die "knapp 200.000 in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein" eingesetzten 'Fremdarbeiter'. (Labskaus Nr.11, S.24)

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[46] Warum das IZRG - angesichts der vielen Unsicherheitsfaktoren - an sich den Anspruch der unbedingten Vollständigkeit und Präzision stellt (was in der historischen Forschung eher unüblich ist), kann nur von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst beantwortet werden.