IVd) Verteilung nach Branchen: Die ausländischen Arbeitskräfte
in Schleswig-Holstein am 15.8.1944

Die von Danker vorgenommene Einteilung in Branchen (Zwangsarbeit, S.46f., Diagramm 6 und 7) ist so nicht durchschaubar, da nicht alle Ausgangsdaten exakt aufgeführt werden. Es gibt im 'Arbeitseinsatz' keine Kategorie "metallverarbeitende (Rüstungs-)industrie" und auch keinen "Öffentlichen Dienst". Eine bloße Erläuterung, dass "für den gesamten Betrachtungszeitraum ein einheitliches, 58 Sparten umfassendes System der Zuordnung" erfolgte (Zwangsarbeit, S.46), reicht nicht aus. Einerseits weicht die Erfassung vom 15.8.44 von den anderen dadurch ab, dass die Sparten 17 und 39 unterteilt worden sind, andererseits erfolgte zu anderen Zeiten zusätzlich eine Differenzierung nach Männern und Frauen. Außerdem wird die Bezeichnung der Wirtschaftszweige im 'Arbeitseinsatz' nicht einheitlich gehandhabt. So lautet z.B. die Bezeichnung für die Wirtschaftszweige Nr. 49./50. und 52. im Arbeitseinsatz Nr. 1/1944 "Verwaltung, Kirche, Bildung, Erziehung"., während am 15.8.1944 die Bezeichnung "Verwaltung, Bildungswesen, Rechts- und Wirtschaftsberatung" lautet. Neben den 58 Wirtschaftszweigen wurde im Verlauf des Krieges eine zusätzliche Kategorie 'Nichtbeschäftigte und Personen ungeklärten Verbleibs' eingeführt, die am 15.8.1944 insgesamt 669 Personen in Schleswig-Holstein erfasste.

Woher soll der Leser wissen, was sich hinter der von Danker durchgeführten Zuordnung verbirgt: " 'Branche Landwirtschaft' wurde generiert aus den Sparten 1-6, 30-35; 'Branche Industrie' aus den Sparten 7-29,36-38; 'Branche Bau/Dienstleistungen' aus den Sparten 39, 41-43, 48, 57-58; 'Branche Öffentlicher Dienst' schließlich aus den Sparten 40, 44-47, 49-56." (Zwangsarbeit S.46, Anmerkung 32) Um die Fehler des Vorgehens von Danker näher zu erläutern, erfolgt zunächst die detaillierte Auflistung aller im 'Arbeitseinsatz' verzeichneten Wirtschaftszweige und Beschäftigtenzahlen von Ausländern in Schleswig-Holstein am 15.8.1944.

Nummer Wirtschaftszweig Ausländische Beschäftigte
1. Landwirtschaft, Tierzucht, Gärtnerei
51.322
2. Forst-, Jagdwirtschaft, Fischerei
973
3./6. Bergbau
582
7./8. Baustoffindustrie
638
9. Keramische Industrie
48
10. Glasindustrie
-
11./12. Eisen- und Metallgewinnung
464
13./16. Eisen-, Stahl-, Metallwarenherstellung
10.048
17a. Maschinen-, Kessel-, Apparatebau
7.995
17b. Stahl-, Eisenbau
137
17c. Schiffbau
6.949
17d. Bau von Landfahrzeugen ohne Holzwagenbau
141
17e. Bau von Luftfahrzeugen
2.112
18. Elektrotechnik
946
19. Feinmechanik und Optik
1.368
20. Chemische Industrie
8.619
21. Textilgewerbe
618
22. Papiererzeugung und -verarbeitung
275
23. Druck-, Vervielfältigungsgewerbe
73
24. Ledergewerbe
429
25. Kautschuk-, Asbestverarbeitung
152
26./28. Holz-, Schnitzstoffgewerbe
1.199
29. Musikinstrumenten-, Spielwarenherstellung
27
30./35. Nahrungs-, Genußmittelgewerbe
4.380
36./38. Bekleidungsgewerbe
1.049
39a. Bauverwaltung und Architekturbüros
222
39b. Hoch-, Tiefbau
5.745
39c. Baunebengewerbe
528
39d. Schornstein-, Gebäudereinigung
56
40. Wasser-, Gas-, Elektrizitätsversorgung
423
41./43. Handel-, Bank- Versicherungswesen
2.295
44. Reichspost
229
45. Reichsbahn, Reichsautobahnen
3.183
46./47. Verkehrswesen (ohne Reichspost, Reichsbahn)
1.249
48. Gaststättengewerbe
1.111
49./50.,52. Verwaltung, Bildungswesen, Rechts- und Wirtschaftsberatung
1.307
51. Wehrmacht, Reichsarbeitsdienst
5.386
53./56. Volks-, Gesundheitspflege, hygienisches Gewerbe
1.005
57. Theater, Musik, Film, Sport
67
58. Häusliche Dienste
1.589

Entsprechend seiner oben zitierten "Generierung" kommt Danker somit zu folgendem Ergebnis: "Mit über 57.000 Beschäftigten oder knapp 46% überwiegt noch in dieser Spätphase des Krieges ganz eindeutig die Landwirtschaft, die in kaum nennenswertem Umfang Forstwirtschaft und Landeskulturarbeiten mit einschließt." (Zwangsarbeit, S.46)

Die Größenordnung "über 57.000" ergibt sich aus der Addition der Angaben für die Wirtschaftszweige 1., 2., 3./6. und 30./35.. Es kann daher mit Fug und Recht gefragt werden: Warum wird (das auf Seite 46 nicht erwähnte) Nahrungs- und Genussmittelgewerbe von Danker der Landwirtschaft zugerechnet? Selbst für den Bergbau ist diese methodische Vorgehensweise sehr fragwürdig: So liefert der 'Arbeitseinsatz' Nr.7/43 neben der Untergliederung in die Wirtschaftszweige auch eine Unterteilung in Berufsgruppen; dort werden Nahrungs- und Genussmittelwerker sowie Bergleute und verwandte Berufe nicht mit zu den landwirtschaftlichen gezählt. Hier handelt es sich um eine grobe methodische und fachwissenschaftliche Fehlleistung.

Einige Gedanken mögen die Fragwürdigkeit der Zuordnung durch Danker noch mal unterstreichen:

  • Wie groß ist der Anteil kirchlicher und privater Einrichtungen in der Volks- und Gesundheitspflege? Die dort Beschäftigten gehören nicht zum öffentlichen Dienst.
  • Ebenfalls nicht zum öffentlichen Dienst kann der bei privaten Busunternehmen beschäftigte Ausländer gezählt werden.
  • Im Bereich der Forstwirtschaft gab es Ausländer, die in den Kreisforsten arbeiten mussten. Sie müssten zum öffentlichen Dienst gerechnet werden.
  • Gehört die Bauverwaltung zur Baubranche oder zum öffentlichen Dienst?
  • Das hygienische Gewerbe ist kein Bestandteil des öffentlichen Dienstes.

Bei intensiver Betrachtung der Tabelle aus dem 'Arbeitseinsatz' tauchen weitere Fragen auf. Die von Danker durchgeführte Einteilung in Branchen entspricht seinen Vorstellungen, aber nicht der historischen Wahrheit.