Die Fluktuation von Kriegsgefangenen vernachlässigt Danker in seiner Berechnung einer Gesamtzahl der Zwangsarbeiter komplett. Auch hierzu gibt es Hinweise, die in einem seriösen Versuch, eine Gesamtzahl zu ermitteln, erscheinen müssten:
1. Der Reichsverteidigungskommissar für den Wehrkreis X teilt am 16.8.1940 mit, dass im Bereich X.A.K 60.000 Gefangene in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Im Dezember wurden 12.000 flämische Kriegsgefangene, die sich zum Großteil in Schleswig-Holstein und dem Emsland befanden, zurückgezogen und sollten durch Franzosen ersetzt werden.[1] Es stellt sich die zu klärende Frage: Wie viele Gefangene waren bis zu diesem Zeitpunkt in Schleswig-Holstein tätig?
2. Die Kriegsgefangenen verblieben nicht alle in Gefangenschaft, darauf weist das Gutachten ausdrücklich hin. Ein Teil wurde in ein ziviles Arbeitsverhältnis überführt. Sie wurden jedoch auch aus Schleswig-Holstein in andere Lager verbracht und umgekehrt. So verwahrt das Zentralmuseum der Kriegsgefangenen in Lambinowice-Opole entsprechende Transportlisten für polnische Kriegsgefangene bis einschließlich 1944.[2] Auch hier unternahm Danker keinen Versuch, diese Aktenbestände für das Gutachten auszuwerten, obwohl darauf hingewiesen worden ist.
3. Zum Einsatz der italienischen Militärinternierten ("Kriegsgefangenen") erklärt Danker: "Mit diesen in ihrer Gesamtzahl von 24.000 auf 2.000 fallenden kurzfristig anwesenden italienischen Insassen allein erklärt sich der Anstieg und Abfall der Belegungs- und Arbeitszahlen des Stammlagers XA zwischen Mitte 1943 und Ende 1944." (Hervorhebungen R.S.; Zwangsarbeit, S.57) Er übersieht dabei für denselben Zeitraum, dass die Anzahl der polnischen Kriegsgefangenen um ca. 1.300, die der sowjetischen sehr deutlich um ca. 10.000 Personen steigt.
4. Außer den in Arbeitskommandos beschäftigten Kriegsgefangenen existierten Kriegsgefangenen-Sondereinheiten, die wirtschaftlich und disziplinarisch nicht dem Stalag sondern dem Kommandeur der Kriegsgefangenen direkt unterstellt waren. Das Glaser-Bataillon, das Bau- und Arbeitsbataillon und das Dachdecker-Bataillon waren zwischen 1941 und 1944 zeitweise in Schleswig-Holstein eingesetzt.[3] Auch diese Tatsachen hätten angemessen berücksichtigt werden müssen.
[1] LAS Abt.320 NDI, Nr.2525-2526.[2] Brief des Museums vom 9.11.2000. Für die Überlassung entsprechender Kopien sagt der Rezensent: "Vielen Dank".
[3] Gerhard Hoch: Französische Kriegsgefangene in Hamburg 1941-1945, Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte, Band 78, Hamburg 1992, S.231f. und Wolfgang Vogt: Ortsregister der deutschen Kriegsgefangenen- und Internierungseinrichtungen im 2. Weltkrieg, in: Archiv Vogt.