"Durch das 'Führerprinzip', das von den Oberinstanzen, den Reichsbehörden, Ministerien, und Parteidienststellen auch in deren Mittel- und Unterinstanzen weiterbestand, war der persönliche Einfluß der mit dem Ausländereinsatz in Schleswig-Holstein beauftragten Sachbearbeiter auf lokaler Ebene von entscheidender Bedeutung", schreibt Bohn.(Zwangsarbeit S.25) Dieser Aussage kann nur zugestimmt werden. Geschichte findet immer in einem konkreten Raum und zu bestimmten Zeiten statt. Die handelnden und erlebenden Personen sind hier eingebunden. Leider wird die Aussage Bohns in den Artikeln kaum realisiert. Mit wenigen Beispielen aus den unterschiedlichsten Regionen versuchen die meisten Autoren allgemeingültige Tendenzen für Schleswig-Holstein zu belegen. Bei dieser Arbeitsweise sollten die benutzten Beispiele dann aber wenigstens zuverlässig sein. Aufgrund seiner Kenntnis muss der Rezensent vorsichtigshalber hierfür Zweifel anmelden
Wie bereits an den Ausführungen Dankers gezeigt wurde, stimmen die beschriebenen Beispiele oft nicht mit der Realität überein:
1. Frank Hetheys Aussage, dass das Lager in Büdelsdorf ein DAF-Lager gewesen wäre, ist unzutreffend. Das Gemeinschaftslager war werkseigen, es war lediglich nach häufigen Differenzen in der Überwachung und Betreuung ein Lagerführer durch die DAF-Gauverwaltung Kiel eingesetzt worden. Das Verschieben von Verantwortung zeigt sich auch daran, dass in Büdelsdorf die Schutzpolizei, die Carlshütte sowie die Lagerführer sich gegenseitig beschuldigten, Vorschriften nicht einzuhalten. Vorübergehend hatte die Carlshütte sogar eine private Wachgesellschaft beauftragt. (Gemeindearchiv Büdelsdorf, Abt. Ausländerwesen)
2. Wenn Lehmann zu einer Liste der Entbindungsstation in Büdelsdorf anfügt: "Von 108 Neugeborenen werden in einer Liste der Carlshütte nur zwei Todesfälle vermerkt. Angesichts der Herkunft des Datenmaterials (Entnazifizierungssammlung der Carlshütte, R.S.) und teilweise exorbitanter Sterberaten bei neugeborenen polnischen und russischen Kindern in anderen Entbindungsstätten müssen die Angaben jedoch mit Skepsis betrachtet werden."(Krankheit, S.206) Seine Ausführungen müssen skeptisch betrachtet werden, da die von ihm benutzten Akten weitere Hinweise zur selben Entbindungsstätte enthalten. Es waren zwar nicht exorbitant viele Kinder, die dort verstarben, aber es waren auf jeden Fall mehr als 2. Zusätzlich sei angemerkt, dass trotz der vorhandenen Entbindungsstätte Geburten von Ausländerinnen auch noch im Krankenhaus in Rendsburg stattfanden.
3. (Krankheit, S.235) Im Kreis Rendsburg wären 1942 mit 21 Fleckfieberfällen die meisten in der Provinz gemeldet worden, schreibt Ströh. Die Anzahl der 21 gemeldeten Fleckfieberfälle im Kreis Rendsburg betraf, wie die handschriftliche Ergänzung auf dem Meldebogen deutlich zeigt, lediglich Zivilrussen. Die Anzahl der tatsächlichen Fleckfieberfälle im Kreis ist schon allein aufgrund der Vorfälle im Kriegsgefangenen-Arbeitskommando in Alt Duvenstedt wesentlich höher.[1]
4. (Zwangsarbeit, S.35) Der Landesarbeitsamtsbezirk Nordmark umfasste nicht nur Mecklenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein sondern auch einige Teile der Provinz Hannover (vgl. 'Arbeitseinsatz' 13/1941).
5. (Zwangsarbeit, S.53) Es wird behauptet, dass im Mai 1942 im Bezirk Nordmark 86.803 Kriegsgefangene gearbeitet hätten. Der Beleg dafür fehlt und die Zahl ist verkehrt. Laut Arbeitseinsatz 11 und 12/13 (1942) waren Ende April 1942 insgesamt 90.416 und Ende Mai 91.419 Kriegsgefangene beschäftigt. Die Zahlen für die Landwirtschaft stimmen ebenfalls nicht.
6. (Zwangsarbeit, S.67) Danker schreibt, dass 1939 insgesamt 35% aller Beschäftigten im produzierenden Gewerbe tätig gewesen seien. Die von ihm genannte Quelle benennt 32%. Ebenfalls arbeiteten in den 5.086 metallverarbeitenden Betrieben nicht 52.000 Beschäftigte. Die von Danker benutzte Statistik weist für diesen Bereich aus: "Beschäftigte insgesamt 80.284, weiblich 8.911, Arbeiter ohne Lehrlinge 52.278."[2]
Der Rezensent befürchtet, dass die Überprüfung weiterer Quellenangaben zu ähnlich niederschmetternden Ergebnissen führen würde. Er empfiehlt daher Aussagen in IZRG-Veröffentlichungen immer kritisch zu hinterfragen.
[1] Vgl. dazu Wilfried Göbel: Kriegsgefangenengräber in Alt Duvenstedt, in: Kurt Hamer, Karl-Werner Schunck: Vergessen + Verdrängt - Eine andere Heimatgeschichte, Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus in den Kreisen Rendsburg und Eckernförde, S.235.[2] Die Bezeichnung der 5.068 Betriebe in der Statistik lautet: "Eisen und NE-Metallerzeugung, Gießerei und Stahlformerei, Stahl- Maschinen- und Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik, Herstellung von EBM Waren, Musikinstrumenten, Sportgeräten, Spiel und Schmuckwaren." Genauer aufgeschlüsselt enthält dieser Bereich u.a. 1.610 Schmiedereien und 440 Betriebe zur Herstellung und Reparatur von Uhren. Sowie nach Größen sortiert 1.934 Betriebe mit 1 Beschäftigten, 2.451 mit 2-5 Beschäftigten und nur 16 Betriebe mit mehr als 1.001 Beschäftigten. Die überwiegend geringen Beschäftigtenzahlen im Bereich Schmiederei und Uhrenreparatur weisen diese als Dorfschmieden bzw. 'Uhrenläden' aus.