4. Die Aktivitäten der Baugesellschaft Kiel m.b.H.

Zwangsarbeiter wurden im Kriegsjahr 1941 nicht nur auf den Kieler Werften dringend benötigt, sondern auch im groß angelegten Wohnungsbau in der "Gartenstadt" Elmschenhagen. Hier war es u.a. die Baugesellschaft Kiel m.b.H. (Scharnhorststraße 15), die mit dem Aufbau der Siedlung Elmschenhagen-Ost beauftragt war. Die Anzahl der benötigten Handwerker überstieg bei weitem die Anzahl der im Raum Kiel zur Verfügung stehenden deutschen Arbeitskräfte. Die Durchführung der Bauprojekte war deshalb nur mit Hilfe von ausländischen Zwangsarbeitern möglich. Für deren Unterbringung mussten allerdings Barackenlager neu errichtet wurden. Die Baugesellschaft Kiel wählte als Standort für das Gemeinschaftslager Elmschenhagen-Ost den Ortsteil "Lustiger Bruder" in Klausdorf an der Gemeindegrenze zu Raisdorf. Die genaue Grundbuchbezeichnung des Grundstücks lautete: Gemarkung Raisdorf, Kartenblatt 2, Parzelle 186/1.[1]

Am 5.September 1941 richtete die Baugesellschaft ein Schreiben an den Amtsvorsteher von Klausdorf und bat um die Genehmigung für einen Kantinenbetrieb: "Für das von uns betreute Gemeinschaftslager Elmschenhagen-Ost, worin ca. 700 Arbeiter untergebracht werden sollen, bitten wir um Erteilung einer Konzession für die dort errichtete Kantine zum Verkauf von Bier und Spirituosen und Rauchwaren." Das Lager Elmschenhagen-Ost befand sich also im September 1941 offensichtlich noch im Aufbau.

Der Amtsvorsteher (wohl als Vertreter des Plöner Landrates) ließ sich Zeit mit der Bearbeitung des Antrages. Er unterrichtete erst am 2.Dezember 1941 den Reichsverband Deutscher Gastwirte, vertreten durch den Inhaber von Drillers Gasthof in Preetz, über den geplanten Kantinenbetrieb und bat um eine Stellungnahme. In der Erläuterung dazu heißt es: "Das Lager hat ein Fassungsvermögen von rd. 700 Personen und ist gegenwärtig bereits mit 400 Personen belegt. Die Lagerinsassen sind Ausländer (Italiener und Belgier)."

Obwohl das Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, erhielt der von der Baugesellschaft Kiel vorgeschlagenen Kantinenverwalter Rudolf S. vom Amtsvorsteher am selben Tag "die vorläufige Genehmigung zum Betrieb einer Kantine im Gemeinschaftslager Elmschenhagen-Ost in der Gemeinde Klausdorf." Rudolf S. musste aber noch eine sogenannte Abstammungserklärung vorlegen, bevor er als Kantinenverwalter tätig werden durfte: "Mir sind nach sorgfältiger Prüfung keine Umstände bekannt, die die Annahme rechtfertigen könnten, daß ich Jude bin. Über den Begriff des Juden bin ich unterrichtet worden." Die Kreisleitung Kiel der NSDAP hatte auch keine Bedenken gegen Rudolf S.: "Gegen die politische Zuverlässigkeit und charakterliche Haltung des Vorgenannten bestehen diesseits keine Bedenken; er bejaht den heutigen Staat." Und so wurde der Baugesellschaft Kiel dann am 23.Januar 1942 offiziell die Genehmigung für den Kantinenbetrieb im Lager Elmschenhagen-Ost erteilt. Es wurde aber nur der Ausschank von Flaschenbier und alkoholfreien Getränken erlaubt.

Der Amtsvorsteher hatte gegenüber dem Bürgermeister von Klausdorf noch einmal deutlich gemacht, dass die Arbeitskräfte "zum Bau der großen Siedlung Elmschenhagen-Ost herangezogen worden" sind. Der Bürgermeister wiederum sah sogar ein dringendes Bedürfnis für den Kantinenbetrieb im Lager: "Durch die Errichtung des Lagers sind für den ländlichen Ortsteil Lustigen Bruder außergewöhnliche Verhältnisse geschaffen worden. Für den heutigen Bestand des Lagers von rd. 400 Personen reichen die Geschäfte und Gaststätten des Ortsteils nicht aus, so daß sich ein Notstand ergeben würde, wollte man von der Errichtung einer Kantine Abstand nehmen." Für den Bürgermeister von Klausdorf war allerdings noch ein weiterer Aspekt wichtig: "Es ist ferner zu berücksichtigen, daß die Lagerinsassen Ausländer (vorwiegend Italiener und Belgier) sind, deren Fernhaltung von den anderen, ohnehin schon durch die Militärunterkünfte überlagerten Gaststätten nur dringend erwünscht ist."

Die Verhältnisse im Lager Elmschenhagen-Ost dürften in der Folgezeit nicht die besten gewesen sein, denn anlässlich der Überprüfung von Gemeinschaftslagern durch das Gesundheitsamt Kiel im Jahre 1944 sind dort erhebliche Mängel festgestellt worden, die auch bei einer Nachprüfung im Januar 1945 noch nicht beseitigt waren.[2]

5. Die Auswirkungen der Bautätigkeiten im Jahre 1941: Landwirtschaft leidet


[1] Diese und die nachfolgenden Angaben und Zitate wurden alle dem in LAS Abt.320 Plön Nr.3078 überlieferten Schriftwechsel entnommen.

[2] LAS Abt.309 Nr.34655