Disziplin und Strafe

Das ganze dritte Kapitel (Art. 45-68) der Genfer Konvention widmet sich der Frage der Bestrafung der Kriegsgefangenen. Gegen einzelne Artikel wurde im Stammlager XA verstoßen, während andere eingehalten wurden. Beispielsweise bestimmte der Artikel 57, dass disziplinarisch bestrafte Gefangene Briefe lesen, schreiben, absenden und erhalten dürfen. Im Bericht vom 21. 6. 1941 heißt es entsprechend: „Die bestraften Kriegsgefangenen erhalten und schreiben Briefe.“ Verstoßen wurde gegen Artikel 62, als einem Gefangenen im Kommando 301 in Veddel ein Anwalt seiner Wahl verweigert wurde. Auch das Verbot von körperlichen Strafen (Art. 46) wurde häufig überschritten, wie die Beschwerden aus einzelnen Kommandos aufzeigen:

-         401 Bad Segeberg: Kommandoführer stößt und schlägt (16. 4. 1944),

-         583 Heide I: Kommandoführer schlägt (21. 8. 1944),

-         991 Neumünster: Der frühere Lagerführer hatte die Gewohnheit, bei Geringfügigkeiten zu schlagen (20. 11. 1944),

-    991 Neumünster: Ein deutscher Unteroffizier schlägt (8.10.1941)

-         1092 Kiel: Etliche Kriegsgefangene geschlagen (22. 5. 1944).

Die Aussagen über die Durchsetzung der Disziplin schwanken von „sie ist korrekt“ bis zu „mitunter brutal“. Allgemein lässt sich sagen, dass die Behandlung im Verlauf des Krieges strenger wurde (29. 3. 1944). „Die Vertrauensmänner halten die Disziplin für sehr streng. Da man sich im militärischen Bereich befindet, ist die Abwehr im Stalag allmächtig“ (10. 3. 1945).

Für Gefangene, die Fluchtversuche unternommen hatten und für die Undisziplinierten gab es eine „Strafkompanie“ von 200 Mann Stärke. Wo diese Kompanie untergebracht war, wurde am 22. 11. 1940 nicht angegeben. Aus den Unterlagen für den 6. 10. 1943 ergibt sich, dass ein Strafkommando Nr. 823 in Glashütte bestand.

Fluchtversuche wurden mit 3-21 Tagen Arrest bestraft, im allgemeine mit 2 Wochen, teilt der Bericht des 22. 11. 1940 mit. Kurz darauf hieß es, dass Ausbruchsversuche selten seien und sie würden mit 21 Tagen in einer Zelle geahndet (21. 6. 1941). Ob diese Aussage, dass Fluchten selten seien, richtig ist, kann nur schwer überprüft werden. Die Gefahr von Fluchten wurde jedenfalls hoch eingeschätzt. Wie anders wäre sonst eine Anweisung vom November 1941 des Regierungspräsidenten aus Schleswig zu verstehen, die Streckenkarten auf den Tankstellen zu entfernen. Diese würden die häufigen Fluchten erleichtern.[65] Auch die Aussetzung einer Prämie von 100 RM für jeden wiederergriffenen sowjetischen Kriegsgefangenen ergibt nur auf diesem Hintergrund einen Sinn.[66] Im Gegensatz zu anderen Gefangenen, die nach Ergreifen der Wehrmacht überstellt wurden, wurden die sowjetischen der Gestapo zur staatspolizeilichen Ahndung möglicher Strafen ausgeliefert.[67]

Zur Verhinderung oder Beendigung eines Fluchtversuches durfte - außer von Zivilpersonen - die Waffe benutzt werden. „Alle flüchtigen Kriegsgefangenen (außer sowjetischen Kriegsgefangenen) werden nach dreimaligem kurz hintereinander erfolgendem Anruf niedergeschossen“, lautet ein Wehrmachtsbefehl.[68] In Übereinstimmung mit diesem verkündete schon 1942 der Erlass „Waffengebrauch der Polizei gegenüber flüchtenden Kriegsgefangenen“ in Satz 3 und 4: „3. Auf flüchtige sowjetische Kriegsgefangene ist ohne vorherigen Anruf zu schießen. 4. Warnschüsse sind in keinem Fall abzugeben.“ [69]

Artikel 82 der Genfer Konvention verbot die Sonderbehandlung von Gefangenen. Jeder Staat, der die Konvention unterzeichnet hatte, war verpflichtet, sie auch auf Angehörige der Staaten anzuwenden, die ihr nicht beigetreten waren.

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[65] Abschrift im GAB -Abt. Ausländerwesen

[66] Wehrkreiskommando X. Abschrift vom 12.11.1941. GAB -Abt. Ausländerwesen

[67] Rundverfügung der Gestapo Kiel vom 13.11.1942. GAB -Abt. Ausländerwesen

[68] IMG, Nürnberg 1947, Bd.2, S. 523f

[69] Runderlass des Reichsführers SS und Chef der deutschen Polizei im RMdI vom 27.7.1942. Waffengebrauch der Polizei gegenüber flüchtigen Kriegsgefangenen. Ministerialblatt des Reichs- und Preuß. Min. des Inneren vom 5.8.1942

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