Das "Gemeinschaftslager Rumohr" (2. Teil)

von Uwe Fentsahm

Lageplan des Gemeinschaftslagers Rumohr

 

Der Aufbau des Lagers und seine Bewohner: "Misshandlungen wurden nicht wahrgenommen."

Nach Angaben von Uwe Carstens handelte es sich bei den in Rumohr errichteten Baracken zunächst um fünf RAD-Baracken (A, B, C, D, E). Sie wurden auch als „großräumige Baracken“ bezeichnet und waren jeweils 324 qm groß, bei einer Länge von 39,75 m und einer Breite von 8,15 m. Später kamen die kleineren Baracken H (Wohnbaracke, 31 qm), L (Wohnbaracke, 31 qm), K (Wohnbaracke, 19 qm), R (Abstellbaracke, 19 qm) und Q (Abstellbaracke, 19 qm) hinzu.

Das Gebäude F stellte eine der beiden Wirtschaftsbaracken dar (mit dem kleinen Saal) und war 189 qm groß, bei einer Länge von 23,20 m und einer Breite von 8,15 m. Das Gebäude G war die größere Wirtschaftsbaracke (mit der Küche und dem großen Saal), sie war 46,40 m lang und 8,15 m breit. Hinzu kamen die Pumpenbaracke, die Waschbaracke (109 qm), Abstellräume und zwei Aborte. Die Verwaltung des Lagers residierte in Baracke I (31 qm).[7]

Zum „Gemeinschaftslager Rumohr“ gibt es im Landesarchiv in Schleswig einen sogenannten Form-96-Bogen[8] aus der Nachkriegszeit (um 1950), in dem der Polizeimeister Rehlich folgende Angaben machte: Das Lager bestand aus 5 großen und 6 kleinen Holzbaracken. Es befand sich „außerhalb der Gemeinde Rumohr an der Straße Rotenhahn-Rumohr“ und wurde von ungefähr 800 – 1000 Personen („freiwillige Ostarbeiter“) bewohnt. Die Einschätzung des Polizeimeisters: „Es handelte sich um freiwillige Arbeiter aus dem Osten“ entspricht zwar nicht der Wahrheit, aber sie diente ihm vielleicht zur Beruhigung des eigenen, schlechten Gewissens.

Aus der Formulierung kann jedoch geschlossen werden, dass im „Gemeinschaftslager Rumohr“ keine kriegsgefangenen Soldaten, sondern Zwangsarbeiter („kriegsgefangene Zivilisten“) untergebracht waren. Polizeimeister Rehlich legte auch Wert darauf hinzuweisen, dass es zwar eine Umzäunung des Lagers gab, diese aber „ohne Stacheldraht“ war. Von der Stadt Kiel wurden „Zivilposten“ zur Bewachung des Lagers abgestellt. Diese waren aber unbewaffnet und sind „fast kaum in Erscheinung getreten“. „Jeder Arbeiter konnte sich mit Genehmigung der Lagerverwaltung auch außerhalb bewegen und hatte freien Ausgang.“[9] Inbezug auf die Frage der Anwendung von Gewalt antwortete Rehlich sehr vorsichtig: "Misshandlungen wurden nicht wahrgenommen." Diese Formulierung beinhaltet einen großen Interpretationsspielraum.

Im Catalogue of Camps and Prisons (CCP)[10] gibt es zwei Hinweise auf das „Gemeinschaftslager Rumohr“: Zum einen soll es sich um ein „Zivilarbeiterlager“ (CWC = Civilian Worker Camp) gehandelt haben mit „600 Russians“, die bei der Stadt Kiel und verschiedenen anderen Firmen beschäftigt wurden.[11] An anderer Stelle ist vermerkt, dass das Lager 740 Personen beherbergt habe und von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) beaufsichtigt wurde.[12] In seiner Dissertation von 2004 weist Jan Klußmann darauf hin, dass das Lager Rumohr mehrfach in den Fragebögen genannt wird, die er ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern zugeschickt und von vielen in beantworteter Form zurückerhalten hat.[13]

Die Spurensucher in Flintbek haben sich im Jahre 2003 auch mit dem „Gemeinschaftslager Rumohr“ beschäftigt und schreiben: „In und um Flintbek gab es mehrere Lager, in denen etwa 4.000 Zwangsarbeiter lebten.“[14] Diese Zahl ist nicht haltbar, denn die überlieferten Zahlenangaben dürfen nicht einfach addiert werden; sie beziehen sich in vielen Fällen auf ein und dasselbe Lager.[15] Im Großraum Flintbek gab es vier große „Zivilarbeiterlager“ (CWC): das DWK-Lager in Wattenbek (max. 550 Personen), das DWK-Lager in Flintbek (ca. 350 Personen),[16] das Wohnlager in Grevenkrug (Blumenthaler Berg mit ca. 500 Personen)[17] und das Gemeinschaftslager Rumohr (mind. 600 Personen).

 

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[7] Carstens (wie Anm.1), S.13. Die Größenangaben für die einzelnen Baracken befinden sich in: Stadtarchiv Kiel, Nr. 79554 [Wertermittlung Barackenlager „Rumohr“, Lager Nr.41]

[8] Siehe hierzu Uwe Fentsahm/Nils Lange: Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft im Amt Bordesholm 1939 - 1945, hrsg. vom Amt Bordesholm, 2016, S.14 f.

[9] Der Form-96-Bogen für das „Gemeinschaftslager Rumohr“, in: LASH Abt.415 Nr.3424 und 3425.

[10] Fentsahm/Lange (wie Anm.8), S.15 f.

[11] Martin Weinmann (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem (CCP), Verlag Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 1990, S.71.

[12] Ebd., S.487.

[13] Jan Klußmann: Zwangsarbeit in der Kriegsmarinestadt Kiel 1939 – 1945, Bielefeld 2004, S.284 ff.

[14] Erlebte Geschichte: Spurensuche in Flintbek 1939 – 1950, Flintbek 2003, S.94 und S.178.

[15] Ebd., S.178. So würde man fälschlicherweise allein für das „Gemeinschaftslager Rumohr“ auf mehr als 2.100 Personen kommen (600 + 740 + (800-1000)). Die Spurensucher vermuten in Wattenbek drei große Lager mit jeweils 460, 660 und 300 Insassen. Das sind aber drei verschiedene Zahlenangaben (aus der Nachkriegszeit), die sich alle auf ein und dasselbe Lager beziehen, nämlich auf das Wohnlager der Deutschen Werke Werft (Kiel) in Wattenbek, an der heutigen Schulstraße (siehe hierzu Uwe Fentsahm: Das Lager der Werft Deutsche Werke Kiel (DWK) in Wattenbek, in: Fentsahm/Lange (wie Anm.8), S.98 ff.).

[16] Uwe Fentsahm: „HDW hat doch gar keine Zwangsarbeiter gehabt“. Hinweise auf Zwangsarbeiterlager der Deutschen Werke Werft – außerhalb Kiels, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, hrsg. vom Arbeitskreis für die Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS), Heft 40 (2002), S.47.

Onlineversion DWK-HDW

[17] Irene Dittrich: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Frankfurt-Bockenheim, 1993, S.177.