Die Lager in "Gotenhafen" (Gdynia) und Umgebung

Die DWK besaß nicht nur innerhalb und am Stadtrand von Kiel zahlreiche Zwangsarbeiterlager. Es gibt Hinweise darauf, dass das Werftunternehmen sich nach der Besetzung Polens durch deutsche Truppen und die anschließend erfolgte Eingliederung Westpolens in das Deutsche Reich an der Übernahme der Werftindustrie Gdynias beteiligt hat. Im Catalogue of Camps and Prisons (CCP) werden die Deutschen Werke Kiel als Betreiber eines Zivilarbeiterlagers in Nussdorf bei "Gotenhafen" erwähnt.[1]

Das "Werk Gotenhafen" der DWK wurde offiziell erst am 31.Juli 1945 stillgelegt. Die ehemaligen deutschen Gefolgschaftsmitglieder sind zu diesem Zeitpunkt entlassen worden, erhielten dann aber - offensichtlich durch die Geschäftsleitung - für ihren weiteren beruflichen Werdegang eine umfangreiche Unterstützung. Wilhelm S. bekam ein umfassendes Zeugnis ausgestellt: Er war "am 1.Mai 1943 als Wirtschaftsleiter für unser Werftwohnheim Nussdorf, welches für etwa 2000 Lagerinsassen Platz bot, eingestellt" worden. S. wird als pflichteifrig und vertrauenswürdig beschrieben. Zu seinen Tätigkeiten gehörte "die Anforderung und Verrechnung der Bezugsscheine mit dem Ernährungsamt. Die von diesem Amt vierteljährlich durchgeführten Prüfungen ergaben keine Beanstandungen. Von der Küche des Wohnheimes Nussdorf wurden weitere Läger unseres Werkes, die über keine eigene Küche verfügten, zur Zufriedenheit versorgt."[2]

Wilhelm S. war aber nicht nur in der Lage gewesen, die 2000 Zwangsarbeiter der DWK in Nussdorf zu versorgen: "Seit Januar 1945 wurden an die Wirtschaftsleitung erhebliche Anforderungen gestellt durch Zuweisung von Flüchtlingen aus den Ostprovinzen, die teilweise bis zu 6000 Köpfen anschwollen. Auch diese Schwierigkeiten hat Herr S. mit der erforderlichen Umsicht und Ruhe gemeistert. Trotz Feindbeschusses und täglicher Fliegerangriffe harrte er seinen Anweisungen gemäß auf seinem Posten aus, bis der Befehl zum Abrücken erfolgte." Diese Wortwahl verdeutlicht, dass auch Zivilpersonen drei Monate nach Ende des Krieges das Denken in militärischen Kategorien noch nicht aufgegeben hatten.

Für Wilhelm S. war dieses Zeugnis sehr wichtig, er wollte damit Kantinenpächter des ehemaligen DWK-Lagers Karkkamp in Raisdorf werden. Dazu konnte er auch die ausdrückliche Unterstützung durch die Kieler Werkswohnungen G.m.b.H. (Kiel-Gaarden, Mühlenstraße 20) vorweisen. Dieses 1937 als Tochtergesellschaft der DWK gegründete Unternehmen hat 1945/46 offensichtlich die Verwertung und den Verkauf der zahlreichen Barackengebäude der Werft übernommen.[3] Herrn S. jedenfalls bestätigte man, "dass wir Ihnen den Kantinenbetrieb unseres Wohnlagers Karkkamp/Raisdorf übertragen haben. Sie haben die Aufgabe, die Betreuung der in diesem Lager untergebrachten Flüchtlinge mit Kantinenwaren für eigene Rechnung und Gefahr zu übernehmen." Wilhelm S. konnte darüber hinaus noch einen "Persilschein" vorweisen, der von zwei Kameraden aus alten Tagen verfasst worden war. Die beiden bestätigten an Eides statt, dass S. "während der in Gotenhafen gemeinsam verlebten Zeit von 1942-1945 weder in der NSDAP, noch einer ihrer Gliederungen (einschließlich DAF) irgend ein Amt rangmäßig bekleidet noch interimistisch verwaltet hat." Die reine Mitgliedschaft in einer der Organisationen konnten sie für Wilhelm S. offensichtlich nicht ausschließen.

Diese zahlreichen Leumundszeugnisse erfüllten letztendlich doch nicht die beabsichtigte Wirkung: Der Kreisausschuss des Kreises Plön lehnte es in seiner Sitzung vom 11.Oktober 1946 ab, Wilhelm S. eine Schankkonzession für die Kantine im Wohnlager Karkkamp zu erteilen. Die Wirtschaftsgruppe des Hotel- und Gaststättengewerbes hatte sich mit ihrem Einwand durchgesetzt. Sie war der Meinung, dass "in Raisdorf und besonders in unmittelbarer Nähe des Wohnlagers Gaststätten in genügender Zahl vorhanden sind, die allen Ansprüchen des Lagers gerecht werden."

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[1] "Catalogue of Camps and Prisons in Germany and German-Occupied Territories 1939-1945" (CCP), neu herausgegeben von Martin Weinmann unter dem Titel "Das nationalsozialistische Lagersystem", Frankfurt a.M. 1990, S.317.

[2] Dieses und die nachfolgenden Zitate entstammen dem in: LAS Abt.320 Plön, Nr.3224 überlieferten Schriftwechsel.

[3] Zur Kieler Werkswohnungen GmbH siehe die Werkszeitung der DWK vom 1.Mai 1943, S.4 (Archiv HDW, Kiel) und die Festschrift "Zum Richtfest der Gartenstadt Kiel-Elmschenhagen Süd", Kiel 1940. Nach eigenen Angaben ist die Verwaltung der Lager der DWK am 1.April 1945 übernommen worden (Schreiben der Kieler Werkswohnungen GmbH an die DWK vom 21.2.1948, LAS Abt.415, Nr.3424).